Ist das noch Journalismus?
Mitarbeiterin
ARD-Anstalt
Journalismus bedeutet, alle Meinungen und Blickwinkel in der Berichterstattung zu Wort kommen zu lassen. Es hat den Anschein, als sei dieses Prinzip seit der Corona-Pandemie dahin. Zudem kommt es mir so vor, als gelten in der Berichterstattung zu Corona vor allem die Meinungen, die sich für die Corona-Maßnahmen aussprechen, und diejenigen, die der Regierung nach dem Mund reden. Kritik an der Regierung? Gibt es kaum noch. Als Journalistin beobachte ich, dass die Berichterstattung größtenteils einseitig ist. Wer in Konferenzen etwas anderes sagt oder andere Meinungen und Themen vorschlägt, wird schräg angeguckt und muss damit rechnen, gefragt zu werden, ob er oder sie jetzt zu den Querdenkern gegangen ist. An dem Narrativ, dass der Ausweg aus der Pandemie nur die Impfung sei, wird auf Biegen und Brechen festgehalten - auch entgegen anderen Meinungen und Erfahrungen. Es zählen scheinbar nur die Wissenschaftler, die die „Mainstream-Meinung“ haben - als wären alle anderen Querdenker, Rechte, Corona-Leugner oder Spinner.
Doch leider ist das kein Journalismus. Denn der journalistische Diskurs lässt auch andere Meinungen zu. Dass wir aufgrund der deutschen Geschichte keine Meinungen aus der rechten Szene zulassen, ist mehr als nachvollziehbar. Aber Menschen, die eine andere Meinung zu Corona haben, gleich als rechts abzustempeln, ist meiner Meinung nach absurd. Mittlerweile gehen Menschen aus der bürgerlichen Mitte auf die Straße. Menschen, die sich Sorgen machen um unsere Demokratie und unsere Werte. Doch in der Berichterstattung scheinen sie unerwünscht zu sein. Ich habe sogar Kollegen gehört, die sagten: „Wir wollen ihnen kein Forum bieten.“ Gleiches gilt für Berichte über Impfschäden. Sie seien, so heißt es, marginal und wissenschaftlich so wenig nachprüfbar, dass sie zu vernachlässigen seien.
Aber was ist das für ein Journalismus, der größtenteils nur noch eine Meinungsrichtung präsentiert und als richtig anerkennt? Was ist das für ein Journalismus, der den wissenschaftlichen Diskurs nicht mehr allumfassend abbildet, sondern fast nur noch jene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Wort kommen lässt, die sich für die Maßnahmen aussprechen? Was ist das für ein Journalismus, der abertausende demonstrierende Menschen in die Ecke der Spinner und Unwissenden abtut? Was ist das für ein Journalismus, der die Regierung kaum noch kritisiert? Der im Meinungsbildungsprozess nicht mehr alle Perspektiven ausgewogen berücksichtigt?
Das ist kein Journalismus mehr, der als „Vierte Gewalt“ im Staat bezeichnet werden kann, sondern einer, der mit der Regierung eher gemeinsame Sache macht, wie mir scheint. In Artikel 5 des Grundgesetzes wird die Pressefreiheit gewährleistet und betont, dass eine Zensur nicht stattfindet. Seit Corona findet diese Zensur meiner Meinung nach statt - nur viel perfider, als ich das jemals für möglich gehalten hätte.