Seit Jahren werden wir durch Schulungen und - nennen wir es mal freundlich - Redaktionsdirektiven angehalten, unsere Beiträge in „Storytelling“-Manier zu verfassen.
Mitarbeiterin / Mitarbeiter
Bayerischer Rundfunk (BR)
Das heißt: Alles, was unsere „Protagonisten“ (die Menschen, über die wir berichten, sind also „Darsteller“!!!) sagen und tun, dient dem Aufbau eines Spannungsbogens. Es geht um eine Herausforderung, die zu bewältigen ist.
Sie können sich vorstellen, dass solche filmischen Verrenkungen mit „Protagonisten“, die ihr Metier gut beherrschen, manchmal geradezu groteske Züge annehmen. Denn eigentlich soll unser „Protagonist“ - so der Wunschtraum des Redakteurs - scheitern. Böse formuliert: „Hans Wurste für Filmaufnahmen gesucht!“
Wir benutzen Menschen, über die wir berichten, für ganz bestimmte Ziele und Zwecke, die auf den ersten Blick legitim und gut und richtig zu sein scheinen. Wenn es zum Beispiel um Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz oder gesundes Leben geht. Bis Corona war mir aber nicht bewusst, dass es sich hier um ein gesteuertes Framing handelt.
In Fortbildungen werden uns gebetsmühlenartig immer wieder die dazu erforderlichen Formeln eingedrillt, und dabei wird mit unserer Angst, Scham und Abhängigkeit gearbeitet. Es ist, als hätte man ständig eine Knute im Genick.
Mittlerweile kann ich nicht mehr beurteilen, was gut und richtig ist. Aber ich weiß, dass ich Menschen für Dinge benutze, für die sie sich selbst nicht frei entscheiden können. Und damit wird jede Geschichte, mag sie auch noch so harmlos erscheinen, zu einem kleinen Baustein für politische Ziele.