Wie aus einer Glaubwürdigkeitskrise eine Existenzkrise werden könnte - und wie wir da wieder herauskommen!

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Südwestrundfunk (SWR)

Der britische Premierminister Boris Johnson hat angekündigt, die bisherige Finanzierung der BBC in Großbritannien bis 2027 auslaufen zu lassen. Als diese Nachricht in sozialen Netzwerken auch in Deutschland die Runde machte, freuten sich viele, die in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen hatten, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor allem dazu da ist, sie zu diffarmieren oder zu Staatsfeinden zu erklären. Verstärkt wurde der Eindruck durch die wahrgenommene Gleichschaltung in der Coronaberichterstattung. Aber: Wer den Rückhalt in großen Teilen der Bevölkerung verliert, wird von diesen keine Unterstützung erhalten, wenn es um den Fortbestand des öffentlichen Rundfunkwesens geht. Es ist Zeit, umzudenken und die Selbst­zerstörung der Anstalten zu beenden.

Als in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg die Medien­landschaft neu strukturiert wurde, nahmen sich die Alliierten die BBC als Vorbild. Im Fokus der Überlegung stand, wie ein Missbrauch der Medien für staatliche Propaganda, wie ihn die National­sozialisten betrieben hatten, zukünftig verhindert werden kann. Der Rundfunk in Deutschland sollte kein Staatsfunk mehr sein, der die Parolen der Regierenden unhinterfragt wiedergibt, sondern ein medialer Ort der Debatte und des Diskurses. Abgebildet werden sollte diese pluralistsche Idee unter anderem durch eine Beteiligung der Öffentlichkeit und ihrer Vertretungen in den Rundfunkräten.

Spätestens seit 2020 hat sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk davon verabschiedet, die unterschiedlichen Positionen und Meinungen der Öffentlichkeit abzubilden. Anstatt in einer Krise den Raum aufzumachen für Diskurs und Debatte, ist der Meinungs­horizont weitgehend auf eine Spiegelung von Positionen der Tonangebenden verengt worden, wie mir scheint. Verkündungen der Politik und ihrer angeschlossenen Institute wie dem Robert-Koch-Institut (RKI) fühlen sich an wie unhinterfragbare Wahrheitsverkünder. Eine gewisse journalistische Leitlinie als auch Handlungsdoktrin innerhalb der Anstalten wirkt auf mich wie gesetzt und ebenso unhinterfragbar. ARD-weit wurden „Krisenstäbe“ eingerichtet. Gremien, die dazu legitimiert wurden, im Dauerzustand Corona­regeln festzusetzen, deren Evidenz unbelegt und zweifelhaft bleibt. Und Abteilungen, die sich „Wissenschafts­redaktionen“ nennen, wirken wie journalistische Stützen für die Regierungs­verordnungen.

„Faktenchecker“ erwiesen sich als Instanz, deren Ansatz jeden Zweifel an den Verlautbarungen der Regierenden zu zerstreuen versuchte, um Menschen wieder auf Linie zu bringen. Einrichtungen, die Debatte und Diskurs in den Häusern scheinbar verhindern, stehen der ursprünglichen Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegen - sie sind Teil der Delegitimierung und Selbst­zerstörung der Anstalten. „Faktenchecker“ sollen Fakten checken, weder im Sinne der Einen noch der Anderen. „Wissenschafts­redaktionen“, in denen Wissenschaft mehr verkündet statt diskutiert wird, arbeiten nicht wissenschaftlich. „Krisenstäbe“, die Krisen­stimmung erzeugen, sind nicht für die Überwindung von Krisen da. Und Rundfunkräte, die still bleiben, wenn eine große Minderheit unserer Gesellschaft - nach Schätzungen ein gutes Drittel der Menschen in Deutschland - diffamiert wird, beraten nicht.

Um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht zu gefährden, ist ein Umdenken nötig. Wenn das Wesen der öffentlich-rechtlichen Idee ist, die unterschiedlichen Positionen der Öffentlichkeit abzubilden, einen Raum für Kritik und Debatte darzustellen, dann liegt es auf der Hand, was Ziel sein muss, um keine Entwicklung wie bei der BBC zu erleben. Einrichtungen innerhalb der Häuser, die Debatten verhindern und nur dazu da sind, Regierungs­handeln zu legitimieren, sind abzuschaffen und durch solche Strukturen zu ersetzen, die öffentlich-rechtliches Handeln ermöglichen und sicherstellen. Der journalistische Anspruch, zu berichten, was ist, anstatt das zu verkünden, was Regierungen sich wünschen, sollte neu belebt werden. Und es sollte der deutliche Wille bekundet werden, die Menschen, die mit ihrem Rundfunk­beitrag zum Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beitragen, nicht zu diffamieren, sondern ihnen zuzuhören und respektvoll mit ihnen umzugehen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann nur durch ein klares Bekenntnis zum Pluralismus überleben. Tun wir etwas dafür.

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