Statements:
Klima der Angst

„Ich kann nicht mehr schweigen. Ich kann nicht mehr wortlos hinnehmen, was seit nunmehr anderthalb Jahren bei meinem Arbeitgeber, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk passiert“, schrieb Ole Skambraks in seinem Offenen Brief. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ARD, ZDF, ORF und Deutschlandradio sehen die Praktiken und die Bericht­erstattung ihrer Arbeitgeber ebenso kritisch, trauen sich aber aus Sorge um ihren Job nicht, ihre Meinung zu äußern.
Hier bekommen sie eine Stimme.

Pro Person ist ein Statement zulässig oder anders ausgedrückt: jedes anonyme Statement entspricht einem Menschen, der sich nicht mehr traut, seine Meinung offen kundzutun.

 

Mein Eindruck ist, dass viele Kolleginnen und Kollegen selbst sehr stark von ihrer Angst geleitet werden und gar nicht offen sind für einen Diskurs.

Mitarbeiterin / Mitarbeiter

Westdeutscher Rundfunk (WDR)

Lieber Ole Skambraks,

was für eine Freude, als ich deinen Offenen Brief (multipolar-magazin.de) gelesen habe! Ich teile deine Meinung und danke dir sehr für deine mutige Offenheit. Du tust damit viel für mich, und es fühlt sich an wie ein Wendepunkt.

Ich arbeite auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk (beim WDR) und habe mich in der letzten Zeit dort sehr einsam gefühlt. Besonders beschäftigt mich die Frage, weshalb die sogenannte „neutrale Berichterstattung“, die zu jeder journalistischen Ausbildung gehört, scheinbar an vielen Stellen nicht mehr vorhanden ist. Eigentlich sollte es zu jedem Aspekt eines (politischen) Beitrags doch auch eine Gegenmeinung geben. Dem ist nach meiner persönlichen Beobachtung nicht mehr so. Auch sehe ich den Journalismus nicht mehr in der Rolle des Kritikers der Politik. So sollte das doch eigentlich sein!?

Und warum gehen die Medien dem Ursprung des Virus so wenig nach? Bei jedem Verkehrsunfall wird bis ins Detail geprüft, wie es dazu kommen konnte. Und falls es Verletzte oder Tote gab, wird nachgesehen, ob beispielsweise eine Straße sicherer gemacht werden kann.

Ich bin nicht im tagesaktuellen Bereich tätig, und anfangs dachte ich noch, die Berichterstattung und meine Arbeit würden sich nicht berühren. Aber so ist es nicht. Mein Eindruck ist, dass viele Kolleginnen und Kollegen selbst sehr stark von ihrer Angst geleitet werden und gar nicht offen sind für einen Diskurs.

Bisher war ich ziemlich schweigsam. Aber auch „ich kann nicht mehr“. Dein Brief gibt mir den Mut, mich herauszuwagen, sodass wir nach und nach hoffentlich immer mehr werden.

Alles Gute und herzliche Grüße!

Seit nun mehr als anderthalb Jahren mache ich beim Lesen der Nachrichten für SWR2 und SWR Aktuell einen geistigen Spagat...

Martin Ruthenberg

Nachrichtensprecher Südwestrundfunk (SWR)

...zwischen meiner persönlichen Wahrnehmung und den Inhalten, die ich als Sprecher nicht verantworte. Dabei ist es für mich immer außer Frage gestanden, dass ich dem SWR und meinen Kolleginnen und Kollegen gegenüber loyal sein möchte. Gleichzeitig ist es mir sehr schwer gefallen, täglich wiederkehrend aktuelle TodesZahlen zu verlesen; so nackt und ohne BezugsGröße verkündet geht ihr InformationsGehalt meines Wissens gegen Null. Die bedauerliche Anzahl der Toten verbreitet vor allem Angst.

Schwerer wiegt für mich allerdings das, was nicht gesagt wird, denn dies ist ja das eigentlich Interessante und Wichtige. Damit meine ich StandPunkte, die von der MehrheitsMeinung abweichen. Minderheiten hatten es noch nie leicht, zu Wort zu kommen. Seit Beginn der Krise beobachte ich eine verstärkte Tendenz, deren Meinungen - im besten Fall - zu ignorieren.

Auch sind mir immer wieder reflexhafte AbwehrReaktionen aufgefallen, SchutzMechanismen, die völlig natürlich sind, wenn wir Angst haben. Gleichzeitig ist Angst der mächtigste Hebel, um Menschen dazu zu bringen, etwas zu tun, was sie nicht tun würden, solange sie sich frei und sicher fühlen. Dass wiederum andere diesen Hebel für ihre Interessen missbrauchen können, liegt für mich auf der Hand. Dies geschieht umso häufiger, je mehr Menschen in Angst leben.

Zwangsläufig wird es meiner Meinung nach in einer solchen Krise mehr ManipulationsVersuche geben, die auch mit einer Umverteilung von Macht einhergehen. Es ist also mehr Wachsamkeit geboten als sonst, nicht zuletzt auf der Seite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch deshalb müsste es in so einer Situation mehr MeinungsVielfalt geben als sonst, und die GrundRechte müssten noch sorgsamer geschützt werden.

Seit 2020 leide ich in meiner Anstalt wie ein Hund!

Mitarbeiterin / Mitarbeiter

ARD-Anstalt

Jeder kritische Ansatz wird gar nicht erst verfolgt - oder totrecherchiert. Dafür „freuen“ sich alle, wenn sie eine neue runde Zahl der angeblich soundsovielten Corona-Toten in der Region verkünden können.

 Nach anfänglichem Kontra habe ich mehr oder weniger aufgegeben.

Ich hoffe inständig, dass die kritisch Hinterfragenden mehr werden.

Mitarbeiterin / Mitarbeiter

Südwestrundfunk (SWR)

Ich habe vor einiger Zeit in einer Nachrichtenredaktion gearbeitet und in den letzten 18 Monaten oft schon gedacht, dass ich diese Zeit seit Corona dort nicht überstanden hätte - ohne zu platzen, die Arbeit zu verweigern oder psychisch krank zu werden.

Es gibt nur wenige im Haus, mit denen man sich verbunden und nicht verraten beziehungsweise unsolidarisch fühlt. Denn diejenigen, die in den vergangenen Monaten kritische Fragen gestellt oder eben auch mal nicht nur aus dem Öffentlich-Rechtlichen ihren Wissensdurst gestillt haben, sind rar. Oder schüchtern und trauen sich nicht. Oder sind nicht da, weil ins Homeoffice verbannt. Und dort bekommt man teilweise noch weniger mit oder leidet oftmals unter der Isolation, der Angst und verliert den offenen Blick.

Ich weiß nicht wie, aber ich hoffe inständig, dass die kritisch Hinterfragenden mehr werden. Dass die Fakten einfach nicht mehr geleugnet werden können. Und dass es möglich ist, durch die dicke Schicht der Angst zu dringen, die leider maßgeblich auch von den Medien forciert und befeuert wurde (wofür ich mich zutiefst fremdschäme) - und eine neue Offenheit zu wecken.